Internationaler Mechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe

Am 29. November 2017 wurden vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien die letzten Urteile gesprochen. Ein Angeklagter, der gerade sein Berufungsurteil entgegennahm, verübte während der Urteilsverkündung Selbstmord.

Strafgerichtshof für Jugoslawien (ICTY)
Der durch eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eingesetzte Straf-gerichtshof wurde 1993 gegründet. Er hatte die Aufgabe, schwere Verletzungen der Genfer Konventionen, Verstöße gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges, Völker-mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im ehemaligen Jugoslawien seit 1991 begangenen wurden, zu ahnden. Der Gerichtshof hat während seiner Tätigkeit 161 Personen angeklagt, 90 wurden davon verurteilt, 19 Angeklagte freigesprochen. In den verschiedenen Verfahren, u.a. gegen Ratko Mladić, Slobodan Milošević oder Radovan Karadžić, wurden 4.650 Zeugen in über 10.800 Verhandlungstagen gehört. Es entstand ein Dokumentenarchiv von 2.5 Millionen Seiten.

Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR)
Der ebenfalls durch Resolution des Sicherheitsrates im Jahr 1994 errichtete Strafgerichts-hof für Ruanda war für die selben Straftaten zuständig, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 1994 in Ruanda verübt wurden. Hier wurden 93 Personen angeklagt, 62 verurteilt und 14 Personen freigesprochen. Seine Tätigkeit wurde bereits im Jahr 2015 an den Mechanismus übergeben.

Der Mechanismus (MICT)
Der sogenannte Mechanismus (Mechanism for International Criminal Tribunals) ist ein Nebenorgan des VN-Sicherheitsrates und wurde durch Resolution 1966 am 22. Dezember 2010 begründet. Er nahm am 1. Juli 2012 seine Tätigkeit auf und hat zwei Abteilungen: Abteilung Jugoslawien mit Sitz in Den Haag (Niederlande) und Abteilung Ruanda mit Sitz in Arusha (Tansania).

Der Mechanismus setzt sich zusammen aus
• je eine Strafkammern für jede Abteilung und einer gemeinsamen Berufungskammer für beide Abteilungen
• dem gemeinsamen Ankläger der beiden Abteilungen
• der gemeinsamen Kanzlei, die Verwaltungsdienste für die beiden Abteilungen, der Kammern und des Anklägers, leistet.

Aufgabe ist es im Wesentlichen die Tätigkeiten der Jugoslawien- und Ruanda-Strafgerichtshöfe gegen die Hauptstraftäter zum Abschluss bringen. So wird er u.a. über die Berufung von Radovan Karadžić entscheiden.

Die Aufgaben des Mechanismus sind wie folgt festgelegt:
• Durchführung von Rechtsmittelverfahren
• Durchführung von Wiederaufnahmeverfahren
• Verfahren wegen Missachtung des Gerichts und Falschaussage
• Überwachung des Strafvollzugs, des Opfer- und Zeugenschutzes
• Rechtshilfemaßnahmen gegenüber staatlichen Stellen
• Überwachung der an staatliche Gerichte überwiesenen Verfahren.

Dementsprechend verfügt er über die materiellen, territorialen, zeitlichen und personenbezogenen Zuständigkeiten sowie die Rechte, Pflichten und die wesentlichen Funktionen seiner beiden Vorgängerinstitutionen. Neue Anklagen dürfen von ihm nicht mehr erhoben werden.

Der Mechanismus hat 25 Richter aus 24 Ländern; seine Mitarbeiter kommen aus 65 Nationen. Die Richter sind nur bei Bedarf und auf Anforderung des Präsidenten des Gerichtshofes in Den Haag oder Arusha anwesend. Soweit wie möglich führen die Richter ihre Funktion in ihren Heimatländern aus. Sie erhalten keine regelmässige Vergütung. Lediglich für die Tage, für die sie für den Mechanismus tätig sind, erhalten sie eine Vergütung nach den Vorgaben des Präsidenten.

Es obliegt dem Mechanismus weiter, dafür Sorge zu tragen, dass die bisherigen Dokumente im Sinne des Zeugen- und Opferschutzes aufrecht erhalten werden.

Keine Übertragung an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC)
Aus mehreren Gründen könnte man denken, die „Restaufgaben“ auch an den seit 2002 bestehenden Internationalen Strafgerichtshof zu übertragen. Da, im Gegensatz zum Jugoslawien- und Ruanda-Gerichtshof, der Internationale Strafgerichtshof kein Organ der Vereinten Nationen ist, ist eine Übertragung der Aufgaben nicht möglich. Wie erwähnt, begründen die beiden bisherigen Gerichtshöfe ihre Tätigkeit auf Resolutionen des Sicherheitsrates; dementgegen steht die völkerrechtliche Grundlage des Staatenvertrages beim Internationalen Strafgerichthof. Auch sprechen die begrenzte Regionalität (Jugoslawien und Ruanda) der Konflikte und die zeitlichen Zuständigkeiten dabei ein Rolle.

Internet:
* Mechanism for International Criminal Tribunals
* Sicherheitsratsresolution 1966 (2010) zur Begründung des MICT (deutschsprachig)
* Verfahrens- und Beweisregeln des MICT
* Was war und was bleibt? Zur Tätigkeit des Jugoslawien-Strafgerichtshofes : ein Diskussionsbericht

Literatur:
Gerhard Werle, Florian Jeßberger:
Völkerstrafrecht, 4. Auflage. Mohr Siebeck-Verlag, München 2016

Dieser Beitrag wurde unter Hum. Völkerrecht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.