Der Isern Hinnerk (hochdeutsch: Eiserne Heinrich) ist eine aus Eichenholz geschnitzte Figur, aus der durch die Benagelung mit farbigen Nägeln in Oldenburg (Oldenburg) im Jahr 1915 ein sogenanntes Nagelbild entstand. Die Figur diente der Spendengewinnung für das Oldenburgische Rote Kreuz.
Erste Berichterstattung
In den Oldenburger Nachrichten für Stadt und Land wird erstmals am 8. August 1915 von der Errichtung eines sogenannten Wehrmannes in Eisen berichtet. Die Idee für die Errichtung einer solchen Figur in Oldenburg ging vom Oldenburger Landesverein vom Roten Kreuz aus. Diese erste Berichterstattung bezieht sich dabei ausdrücklich auf den ersten (österreichischen) Wehrmann, der am 6. März 1915 in Wien eingeweiht wurde. Schon früher, ab Februar 1914, sind für Deutschland solche Figuren bekannt. Die erste Nagelfigur in Niedersachsen wurde ab 1. August 1915 in Goslar benagelt. Nach Oldenburg wurden später auch in weiteren Städten im Oldenburger Land Kriegsnagelungen durchgeführt: Elsfleth (zweite Hälfte 1915), Rüstringen (Nov. 1915), Wilhelmshaven (Dez. 1915), Cloppenburg (März 1916), Delmenhorst (Mai 1916), Varel (Aug. 1916).
Entwurf und Ausführung
Den Entwurf für den Isern Hinnerk gestaltete der Oldenburger Maler und Grafiker Bernhard Winter (1871-1964). Das ca. 270 cm hohe, 120 cm breite und 25 cm tiefe Eichenholz-Flachrelief wurde von dem Holzschnitzer Rudolf Michaelsen (1870-1941) ausgeführt. Kunsttischlerische Arbeiten erledigte Tischlermeister Georg Diers (1878-1972).
Es handelt sich bei der Ausführung um einen stehenden geharnischten Ritter der sich mit der linken Hand auf seinen Schild stützt. Das Schild zeigt das vereinfachte Wappen des Grossherzogtum Oldenburg. In der rechten Hand trägt der Isern Hinnerk ein Schwert das mit der Spitze in die Höhe zeigt.
Er wurde in der nordwestlichen Aussennische des Treppenturms der Lambertikirche (Oldenburg) (Rathausseite), aufgestellt. Die Figur konnte durch eine doppelseitige Klapptüren vor Beschädigungen geschützt und verschlossen werden. Die Kosten für die Herstellung des Bildes sind nicht bekannt.
Bezug der Namensgebung
Der Oldenburger Schriftsteller und Heimatdichter Emil Pleitner hat für einen Zeitungsartikel kurz vor der Einweihung des Isern Hinnerk hauptsächlich zwei historische Persönlichkeiten für die Namensgebung herangezogen: den bremischen Heinrich von Borch und den holsteinischen Grafen Heinrich II. Er führte zu diesen beiden aus:
“Es waren kraftvolle eiserne Naturen, die beiden „isern Hinnerk“, die unsere niederdeutsche Geschichte kennt; wenn man nach einem volkstümlichen Wahrzeichen niederdeutscher Kraft sucht, das zugleich die Kriegshilfe fördern und auch kommenden Geschlechtern eine Erinnerung sein kann an schwere und überaus blutige Zeiten, da unser Volk um sein Bestehen ringen mußte, so kann die Wahl leicht auf „isern Hinnerk“ fallen.“
Pleitner weist aber auch auf weitere bekannte Isern Hinnerk hin; so z. B. auf das Märchen der Brüder Grimm „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“, den „eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck und Heinrich den Eisernen von Hessen. Aus der Pflanzenwelt wird diese Aufzählung von Pleitner mit dem Vogelknöterich oder dem Swinegras verbunden.
In einem Filmbeitrag des Fernsehsenders Oldenburg eins aus dem Jahr 2007 wird die These vertreten, das sich der Namen des Isern Hinnerk vermutlich aus dem Märchen „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“ herleitet und nicht von Heinrich II.
In der ersten Ankündigung des Werkes war noch die Rede von „De iserne Janhinnerk“. Pleitner hat jedoch bereits in seinem Artikel vom 14. August 1915 bemerkt:
“Vielleicht entschießt man sich bei uns, das „Jan“ zu streichen und statt des „Janhinnerk“ die alte gemein-niederdeutsche Form zu wählen: „isern Hinnerk“.
Einweihung
Am 5. September 1915, nur knapp einem Monat nach der ersten Bekanntmachung, wurde der Isern Hinnerk feierlich enthüllt. Eine Einladungskarte des Roten Kreuzes zur feierlichen Einweihungsfeier wird derzeit im Stadtmuseum Oldenburg ausgestellt. Das Relief wurde nach einer Ansprache des Vorsitzenden des Roten Kreuzes, Oberst von der Marwitz, und dem Absingen der Hymne des Oldenburger Landes, „Heil dir, o Oldenburg“, von Friedrich August, Grossherzog von Oldenburg und den Prinzessinnen Ingeborg Alix und Altburg Marie Mathilde von Oldenburg mit ersten goldenen Nägeln versehen.
Nach zeitgenössischen Zeitungsberichten
“schlug der Großherzog als erster (…) einen goldenen Nagel für sich, einen für den im Felde weilenden Erbgroßherzog und einen für die Prinzessin Eitel Friedrich ein. Dann folgten die beiden Prinzessinnen mit je einem Goldnagel. Oberst v. d. Marwitz fügte einen goldenen Nagel für den durch Krankheit verhinderten Herzog Georg ein, und dann folgte Frl. Thorade [stv. Vorsitzende des Roten Kreuzes].„
Emil Pleitner veröffentlichte anlässlich der Eröffnung ein niederdeutsches Gedicht über den Isern Hinnerk.
Werbemaßnahmen
In den folgenden Tagen und Wochen wurde in der lokalen Presse immer wieder auf die Spenden für den Isern Hinnerk hingewiesen. So war zu lesen: „Schlagt Nägel ein!“, „Wer den Isern Hinnerk nagelt, opfert dem Vaterlande!“ oder „Schlagt Nägel ein zum Dank für die Erfolge im Osten! Tauscht Gold ein beim Isern Hinnerk! Für jedes Goldstück ein eiserner Nagel!“. Mehrfach waren die Öffnungsstunden des Isern Hinnerk mit einem Konzert einer Militärkapelle verbunden.
Die letzte „Nagelungsstunden“ waren am 17. Oktober 1915 in der Zeit von 10:00 bis 13:00 und 15:00 bis 16:00 Uhr. Die Aufstellung des Isern Hinnerk war also relativ kurz gehalten; nur sechs Wochen bestand die Möglichkeit Nägel einzuschlagen. Das Rote Kreuz begründete diese kurze Zeit mit „ungünstiger Witterung“.
Nur anlässlich des Geburtstags des Grossherzogs, am 16. November 1915, konnten noch einmal Nägel eingeschlagen werden. Hier waren die Öffnungszeiten ebenfalls relativ kurz gehalten: 12:30 bis 13:00 und 15:30 bis 17:00 Uhr.
Anlässlich der Nagelungen des Isern Hinnerk wurden drei verschiedene Postkarten herausgegeben:
Bei einer dieser Postkarten handelt es sich um eine Fotografie (derzeit im Stadtmuseum Oldenburg ausgestellt). Dieses Foto zeigt den Isern Hinnerk im schon „benagelten“ Zustand.
Insbesondere die Spendenpostkarte für das Rote Kreuz hebt den Patriotismus zu Oldenburg hervor. So steht dieser Isern Hinnerk vor der Oldenburger Flagge und wird umgeben von dem Spruch „LAT OK ISERN HINNERK JO NICH UNBESLAN. VOR DAT RODE KRÜTZE IS ES WOLGEDAN!“.
Die dritte Postkarte erschien zwar auch im Oldenburger Land, sollte aber wohl vor allem im Deutschen Reich zum Verkauf angeboten werden. So ist auf der Postkarte „De „Jsern Hinnerk“ van Oldenborg.“ zu lesen: „Zum Schlagen bereit, ist jedweder Zeit | Unser siegreiches tapferes Heer. | Dem Reiche zum Schutz, dem Feinde zum Trutz. | Und dem Kaiser, dem Kaiser zur Ehr!“ Diese Postkarte („Serienkarte 1“) war Teil einer Serie von mehreren Karten, die Nagelbilder verschiedener Städte abbildeten .
Aufstellung in der Reitbahn
Anlässlich der Kriegsausstellung (25. Juni bis 23. Juli 1915) in der Großherzoglichen Reithalle wurde der Isern Hinnerk erneut ausgestellt. Die Preise der Nägel wurde zunächst beibehalten. Später wurde der Preis auf 10 Pfennig für eiserne Nägel herabgesetzt. Diese Herabsetzung des Preises beflügelte wohl auch Schüler vermehrt Nägel einzuschlagen.
Aufstellung im Augusteum
Der Isern Hinnerk wurde nach dem Ende der Kriegsausstellung ins Augusteum gebracht und verblieb dort wohl bis September 1919.
Zunächst war durch das Rote Kreuz geplant den Isern Hinnerk „beim Einrücken unserer Truppen wieder öffentlich auszustellen und ihm hier seine eiserne Rüstung vervollständigen zu lassen, das wenig ruhmreiche Ende des Krieges trug aber neben so vielen anderen auch diese Hoffnung zu Grabe“.
Gesamtertrag der Sammlung
Zu Beginn der Nagelungen wurden Nägel in verschiedenen Preiskategorien angeboten. So konnten Nägel zu 20, 10, 5, 3 und 1 Mark sowie zu 50 Pfennig erworben und eingeschlagen werden. Während der Kriegsausstellung wurde der Preis für eisernen Nägel auf nur 20 Pfennig herabgesetzt (bisher 50 Pfennig). Für größere Spenden wurden Quittungen ausgegeben. Offensichtlich gab es damals auch eine Liste, in dem die Spender namentlich verzeichnet wurden.
Die Gesamtsumme des Verkauf von Nägeln, Postkarten und sonstigen Spenden belief sich bis zum 1. September 1919 auf insgesamt 25.218,38 Mark. Das größte Ergebnis konnte dabei bereits im ersten Jahr verzeichnet werden; im Jahr 1915 waren es insgesamt 19.932,10 Mark. Allein der erste Nagelungstag erbrachte dabei eine Gesamtsumme von 3.000 Mark. Der Erlös der Nagelungen anlässlich der Kriegsausstellung betrug 1.196 Mark. Alle Einnahmen gingen vollständig dem Oldenburgischen Roten Kreuz zu.
Sicherlich hatte sich das Rote Kreuz einen größeren Erlös aus dieser Aktion erwünscht. Der Isern Hinnerk wurde jedoch nur an wenigen Stellen großflächig benagelt. Viele Stellen sind noch frei geblieben. Die Spendenbereitschaft der Bevölkerung war jedoch durch die schon bisher durchgeführten Sammlung des Roten Kreuzes (zum Beispiel für den Hilfslazarettzug 26 (Oldenburg)) seit dem Jahr 1914 deutlich geschwächt.
Einlagerung
Der Isern Hinnerk wurde, nach Beendigung der Nutzung der Räume im Augusteum durch das Rote Kreuz (September 1919), zunächst von 1922 bis ca. 1938 im Städtischen Museum für Kriegserinnerungen in der Huntestraße gezeigt. Seit Mitte der 1950er Jahre, eventuell schon früher, befand er sich in der Gartenlaube von Theodor Francksen als Teil des Stadtmuseums Oldenburg. Als in den 50er Jahren auf diesem Grundstück ein Einkaufszentrum und eine Straße gebaut wurde, wurde der Isern Hinnerk als Leihgabe dem Museumsdorf Cloppenburg überlassen. Hier lagerte er bis zum Jahr 2007 auf dem Dachboden des Haakenhofes.
Wiederentdeckung
Im Jahr 2007 begutachteten je ein Vertreter des Stadtarchivs Oldenburg, des Stadtmuseums Oldenburg, des Museumsdorfes Cloppenburg und ein Historiker den Zustand des Isern Hinnerk vor Ort im Museumsdorf Cloppenburg. Der Erhaltungszustand war – trotz langer Zwischenlagerung an verschiedenen Orten – erstaunlich gut. Der Isern Hinnerk war völlig intakt. Es hatte sich lediglich eine Patina gebildet, die jedoch durch Restaurierung ohne Schwierigkeit entfernt werden könnte. Ausdrücklich wurde aber auch darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Isern Hinnerk um kein Kriegssymbol handelt, sondern er ein „Symbol für die gesellschaftliche Realität eines Krieges“ war und ist.
Der Schußbericht des Roten Kreuzes über den Isern Hinnerk im Jahr 1919 endet mit den Worten:
„Ob der Oldenburger Iserne Hinnerk von 1915 später in einem neu zu erbauenden oder einzurichtenden Museum seinen Platz finden wird, muß der Zukunft überlassen werden.“
Anfang September 2013 kehrte der Isern Hinnerk in das Stadtmuseum Oldenburg zurück und kann dort angesehen werden. Im Rahmen der Ausstellung „Sehnsucht nach dem Krieg? Am Vorabend des Ersten Weltkriegs Oldenburg 1913“ fand er seinen Platz zunächst in der Bernhard-Winter-Abteilung des Museums.
Hier eine Übersicht der Kriegsnagelungen im Oldenburg Land.
Primärliteratur
* Nachrichten aus Stadt und Land, Oldenburg, Zeitraum vom 8. August 1915 bis 15. November 1915, 13. September 1924
* Die Kriegstätigkeit des Roten Kreuzes Oldenburg von 1914 bis 1919, Berlin 1919, Seite 87 (Abschrift)
* Nordwest-Zeitung, Oldenburg, Nr. 168, 21. Juli 2007
* Karl-Heinz Ziessow, Juliane Schikade, Museumsdorf Cloppenburg: Der Erste Weltkrieg – Kriegswahrnehmungen und Erinnerungen in der Region, Cloppenburg 2009
* Udo Elerd (Hrsg.), Oldenburg : Stadtgeschichte in Bildern und Texten, Oldenburg 2009
* Franziska Boegehold: Der „Isern Hinnerk“ – Ein Kriegswahrzeichen für Oldenburg. In: Sehnsucht nach dem Krieg? Am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Oldenburg 2013
* Isern Hinnerk kehrt zurück; Nordwest-Zeitung, Oldenburg, Nr. 207, 5. September 2013
* Hölzernes Zeichen der Kriegsmüdigkeit SonntagsZeitung Oldenburg, Nr. 37, 15. September 2013, Seite 20
* DRK-Landesverband Oldenburg, Aus Liebe zum Menschen : 150 Jahre Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Oldenburg e.V., Oldenburg 2014 (PDF-Datei, 1,4 MB)
Sekundärliteratur
* Otto Weltzien: Kriegsnagelungen in Niederdeutschland. In: Niedersachsen, Band 22 (1916/1917), Heft Nr. 3.
* Gerhard Schneider: Über hannoversche Nagelfiguren im Ersten Weltkrieg. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Bd. 50, Hannover 1996.
* Michael Diers: Nagelmänner : Propaganda mit ephemeren Denkmälern im Ersten Weltkrieg. In: Mo(nu)mente Formen und Funktionen ephemerer Denkmäler, Berlin 1993.
* Gerhard Schneider: Zur Mobilisierung der „Heimatfront“: Das Nageln sogenannter Kriegswahrzeichen im Ersten Weltkrieg. In: Zeitschrift für Volkskunde, Münster 1999
* Dietlinde Munzel-Everling: Kriegsnagelungen, Wehrmann in Eisen, Nagel-Roland, Eisernes Kreuz, Wiesbaden 2008 (PDF-Datei, 3,45 MB).
* Martin Kronenberg: Die Bedeutung der Schule für die „Heimatfront“ im Ersten Weltkrieg – Sammlungen, Hilfsdienste, Feiern und Nagelungen im Deutschen Reich, Göttingen 2010 (PDF-Datei, 32,7 MB).
* Gerhard Schneider: In Eiserner Zeit : Kriegswahrzeichen im Ersten Weltkrieg ; ein Katalog, Schwalbach/Ts. 2013.
* Ahrens/Wiechmann/Saul: Oldenburg 1914 – 1918 : ein Quellenband zur Alltags-, Sozial-, Militär- und Mentalitätsgeschichte der Stadt Oldenburg im Ersten Weltkrieg. Oldenburg 2014.
Stand: 15. August 2014, überarbeitet 9. März 2024