Oberbaurat Otto Lasius, Mitglied des Vorstandes des Vereins, stand mit Henry Dunant in Genf in brieflicher Verbindung und berichtete ihn im April 1864 über die Fortschritte des Vereins hier in Oldenburg:
„Oldenburg, den 18. April 1864
Mein Herr!
In Beantwortung Ihres geehrten Schreibens vom 23. März hatte ich die Absicht, Ihnen den Bericht über die Fortschritte der Hilfe für die verwundeten Soldaten in Europa zu übersenden, den ich im Februar bei einer hiesigen Vereinigung verlesen habe, die sich die Prinzipien Ihres internationalen Komitees zu eigen gemacht hat.[1] Die Weser-Zeitung versprach mir, den Bericht in ihrem Feuilleton zu veröffent1ichen, aber bis jetzt habe ich vergebens darauf gewartet.[2] Unterdessen werden Sie dem beiliegenden Abschnitt der Oldenburger Zeitung entnehmen, daß hier ein spezielles Komitee gebildet worden ist, und ich kann hinzufügen, daß es eine ganz gute Aktivität entwickelt hat. Nicht nur hat es eine gute Menge an Leinen- und Wollstoffen usw. den Schleswiger Komitees zugesandt, dort hat zudem Dr. Müller (Militärarzt, dessen Namen Sie unter den Mitgliedern unseres Komitees finden) die Hospitäler und Ambulanzen besichtigt und während einiger Wochen seine Hilfe zur Verfügung gestellt, um besser zu erfahren, wie wir zu unserem Teil helfen können.[3]
Darüberhinaus wird Ihr internationales Komitee in diesen Tagen seitens des Grafen Wedel die Note über das Interesse erhalten haben, das Seine Königliche Hoheit der Großherzog den humanitären Zielen entgegenbringt,[4] denen Sie, mein Herr, verdienstvollerweise in ganz Europa und sogar jenseits des Ozeans Geltung verschafft haben, durch Ihr „Souvenir de Solferino“ wie durch den Eifer, mit dem Sie den von Ihnen gelegten Keim pflegen.
Seien Sie versichert, mein Herr, daß dafür die Oldenburger Ihnen sehr wohl Dank wissen und nicht aufhören werden, ihre Zustimmung zu dem Geschehenen zu bekunden; ich freue mich, das durch die Bitte verdeutlichen zu können, wohlwollend meinen tiefen Respekt zu akzeptieren.
Ihr sehr ergebener Diener
O. Lasius
Herrn J. Henry Dunant
Sekretär des internationalen Komitees
zur Hilfe für verwundete Krieger
rue St. Pierre in Genf“[5]
[1] Lasius hielt am 23. Februar 1864 die besagte Rede vor dem Literarisch-Geselligen Verein zu Oldenburg mit dem Titel „Humanistische (d. h. Internationale) Congresse“. Der Text ist leider nicht überliefert, aber in der Berichterstattung der Weser-Zeitung teilweise wiedergegeben.
[2] Die Weser-Zeitung in Bremen berichtete erst in ihrer Nr. 6370 vom 20. Mai 1864 (Teil 1) und Nr. 6371 vom 21. Mai 1864 (Teil 2) über Lasius‘ Vortrag mit dem Titel „Die Bildung freiwilliger Vereine zur Pflege auf dem Schlachtfelde Verwundeter“.
[3] Dieser Bericht beruht auf den Ausführungen Dr. Müllers anlässlich seines Vortrages vor der Versammlung des Oldenburgischen Offziercorps am 6. April 1864. Ein ausführlicher schriftlicher Bericht Dr. Müllers ist später in seinem „Correspondenzblatt für die Ärzte und Apotheker des Großherzogthums Oldenburg“ (Band 3) in den Ausgaben Nr. 5. (1. Mai 1864), Nr. 6. (1. Juni 1864) und Nr. 7. (1. Juli 1864) erschienen. Dr. Müller war übrigens bereits kurz nach Ausbruch des Krieges, ab 19. Februar 1864, also VOR den beiden offiziellen ersten Rotkreuz-Delegierten Dr. Appia (Abreise am 22. März 1864 von Genf, zunächst nach Berlin, später nach Norddeutschland) und Dr. van der Velde (geplante Abreise 29. März 1864) [Beiträge zur Rotkreuzgeschichte 9, S. 138 f.], vor Ort auf den Schlachtfeldern.
[4] „Die Regierung des Grossherzogthums Oldenburg erkennt die ausserordentliche Wichtigkeit an, die der Zewck der Versammlung für das Wohl der Menschlichkeit hat, und wird eine Mitteilung über die Arbeiten der Konferenz mit Vergnügen entgegennehmen in der Hoffnung, einigermassen zur Verwirklichung der hochherzigen Absichten beitragen zu können, welche den Gedanken von Hilfsvereinen ins Leben gerufen haben.“ (undatiert) Zitiert nach: Rudolf Müllers „Entstehungsgeschichte des Roten Kreuzes und der Genfer Konvention mit Unterstützung ihres Begründers J. H. Dunant“, Stuttgart 1897, Seite 133 f.
[5] Der Brief ist abgedruckt in: Dr. Jasper Osterloh: 125 Jahre Rotes Kreuz in Oldenburg. Oldenburg: Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Oldenburg, 1989, S. 32-34. [Bibliothekslink]