Health Care in Danger

Das Health Care in Danger-Projekt ist eine Initiative der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung mit dem Ziel der Gewalt gegen Patienten, Beschäftigte, Einrichtungen und Fahrzeugen im Gesundheitswesen zu entgegnen und die Bereitstellung und den Zugang zu Gesundheitsversorgungen in bewaffneten Konflikten sicherzustellen. Gerade in diesen Konfliktsituationen wird ein funktionierendes Gesundheitswesen am meisten gebraucht, aber auch gerade dann sind diese Dienstleistungen besonders anfällig für Angriffe. Ärzte und Krankenschwestern, Krankenwagenfahrer oder Sanitäter, Krankenhäuser, Gesundheitszentren und sogar die Verwundeten und Kranken selbst geraten unter Beschuss oder die Konfliktparteien schränken absichtlich die Hilfe für diese Personen stark ein.

Die Formen der Gewalt umfasst dabei äußere Fakturen, wie z.B. Bombardierung, Beschießung, Plünderungen, gewaltsames Eindringen und andere Eingriffe in den Betrieb von Gesundheitseinrichtungen, wie z.B. den Entzug von Strom und Wasser. Viel direkter ist das töten, verletzen, belästigen oder einschüchtern von Patienten oder Pflegepersonal, die Verwehrung des Zugangs, das bewusste Verhindern von Hilfeleistungen oder deren direkte Ablehnung, die Diskriminierung beim Zugang zu Rettung und Pflege oder die Unterbrechung der medizinischen Versorgung.

Diese Gewalt kann die benötigten Gesundheitssystem beeinträchtigen, gerade wenn die Menschen sie am meisten brauchen. Kombattanten und Zivilisten sterben, nur weil der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen verhindert, verzögert oder unmöglich gemacht wird. Ganze Gemeinden sind von lebenswichtigen Dienstleistungen, Geburtshilfe oder Impfungen abgeschnitten. Manchmal kann die Unterbrechung so schwerwiegend sein, dass das gesamte Gesundheitssystem vor Ort zusammenbricht. Diese Problematik hat weitreichende und langfristige Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschaften in den Konfliktgebieten und wirkt lange über den bestehenden Konflikt hinaus.

Ein Bericht des IKRK für den Zeitraum 2012-2014 verdeutlicht die Problematik in Zahlen:
• 2.398 Vorfälle in 11 Ländern
• 598 Personen starben
• 4.275 Personen wurden Opfer von Gewalttaten
• darunter waren 1.633 Patienten
• 50 % der Angriffe fanden innerhalb oder in nächster Nähe von Gesundheitsein-richtungen statt
• 700 medizinische Transporte waren direkt oder indirekt betroffen
• die meisten Angriffe erlitten lokale Gesundheitskräfte.

Besorgnis erregend ist die Tatsache, dass in einem weiteren Ländervergleich in 11 % der Fälle bewaffnete staatliche Kräfte die Ausführenden waren und diese in fast 95 % der Fälle während aktiver Kämpfe stattfanden.

Was tut die Rotkreuz-Bewegung?
Das Thema beschäftigt die Rotkreuz-Bewegung bereits seit einigen Jahren, so z.B. den Delegiertenrat im Jahr 2009 und die Rotkreuz-Konferenzen 2011 und 2015. Das IKRK organisierte bereits eine Vielzahl von Veranstaltungen, Studien und Expertentreffen, so z.B. von Rechts-, Militär- oder Gesundheitsexperten, wie der NATO, WHO oder dem International Council of Nurses (ICN). Auch wurden bewaffnete nicht-staatliche Gruppen mit eingebunden. Die Konferenzen 2011 und 2015 verabschiedeten hierzu entsprechende Resolutionen.

Die Staaten wurden dabei aufgerufen notfalls durch Gesetzgebung oder Fortbildung der Sicherheitskräfte für eine besseres Verständnis der Regeln des bestehenden Humanitären Völkerrechts (siehe Seite 3) zu sorgen. Die Nationalen Rotkreuz-Gesellschaften sind aufgerufen, sich in ihren Beziehungen zu den Regierungen und Streitkräften dem Thema zu widmen und soweit notwendig Fortbildungen des medizinischen Personals durchzuführen. Auf ihrer Tagung im September 2016 befassten sich zudem die Landeskonventionsbeauftragten des DRK mit diesem Thema.

Im Mai 2016 verabschiedete auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine entsprechende Resolution, die die Gewalthandlungen, Angriffe und Drohungen gegen Verwundete, Kranke, und das Sanitätspersonal nachdrücklich verurteilt und verlangt, dass die einschlägigen Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts eingehalten und den daraus erwachsenen Verpflichtungen der Staaten nachgekommen wird, um den Schutz des Personals, der Einrichtungen und Transportmittel zu gewährleisten.

Von den oben genannten Angriffen sind solche gegen Rettungsdienst- oder Feuerwehrkräfte, die jetzt auch in Deutschland gehäuft vorkommen, zu unterscheiden. Hier ist die Möglichkeit des Gesetzgebers viel einfacher gegeben, als dies bei völkerrechtliche Verträge oder durch Diskussionen mit nicht-staatlichen Gruppen möglich ist. Auch wäre es einfacher für Trainings oder Ausrüstung des Personals zu sorgen. Aber auch dieses Thema wird im Roten Kreuz natürlich bereits diskutiert (Eine Frage des Respekts; in: Rotkreuzmagazin intern 3/16, Seite I-III, DRK 2016).

Internet: http://www.healthcareindanger.org
Video: https://www.youtube.com/watch?v=Q9MSGSeQ-6Y
Österreichisches Rotes Kreuz: Medizinische Einrichtungen als Zielscheiben
13:45 min, deutschsprachig

Bestehende Regeln in Bezug auf den Schutz von Verwundeten und Kranken sowie medizinischem Personal in bewaffneten Konflikten (Auszug):

Verwundete und Kranke

• Verwundete und Kranke sind unter allen Umständen mit Menschlichkeit zu behandeln
• Gewaltanwendung gegen Verwundete und Kranke ist streng verboten
• Unterschied in der Behandlung darf nur aus medizinischen Gründen gemacht werden (Diskriminierungsverbot)

IBK: Kapitel 2 GA I, Kapitel 2 GA II, Art. 16 – 17 GA IV, Art. 8 – 20 ZP I
NIBK: Art. 3 GA I-IV, Art. 7, 8 ZP II

Medizinisches Personal

• Medizinisches Personal muss in der Ausübung seiner Tätigkeit respektiert und geschützt werden
• Medizinisches Personal darf nicht angegriffen werden
• Alle Konfliktparteien sollen medizinischem Personal Zugang zu den Verwundeten und Kranken gewährleisten

IBK: Kapitel 4 GA I, Kapitel 4 GA II, Art. 20 GA IV, Art. 8c), 15 ZP I
NIBK: Art. 9, 10 ZP II, Art. 3 GA I – IV

Medizinische Einrichtungen und Transporte

• Medizinische Einrichtungen und Transporte müssen unter allen Umständen geschützt und respektiert werden
• Medizinische Einrichtungen und Transporte dürfen nicht angegriffen werden

IBK: Kapitel 3, Art. 33 – 37 GA I, Kapitel 3, Art. 38 – 40 GA II, Art.18, 19, 21, 22, 55 – 57 GA IV, Art. 3 GA I – IV, Art. 8e) – j), 12, 21 – 31 ZP I
NIBK: Art. 11 ZP II

Verwendung von Schutzzeichen

• Unterscheidung zwischen Schutz- und Kennzeichen

IBK: Art. 38 – 44, 53, 54 GA I, Kapitel 6 GA II, Art. 38, 39 ZP I
NIBK: Art. 12 ZP II, ZP III

IBK = Internationaler bewaffneter Konflikt
NIBK = Nicht-Internationaler bewaffneter Konflikt
GA = Genfer Abkommen von 1949
ZP = Zusatzprotokoll

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